Schwebefähre / Pont Transbordeur | Marseille

Titelbild des Steckbriefs für Schwebefähre / Pont Transbordeur | Marseille
Panoramablick auf den Alten Hafen mit Schwebefähre, Marseille, 1909/10.
Foto: Édouard Cornet. Quelle: Archives municipales Marseille, 115 Fi 1017

Als Symbol der Moderne prägte die Schwebefähre den Alten Hafen von Marseille. Die Stadtbevölkerung, Künstler:innen und Tourist:innen waren fasziniert von dem eisernen Koloss, der mit dem Pariser Eiffelturm verglichen wurde.

Was ist das?

Die Schwebefähre (Pont Transbordeur) am Alten Hafen von Marseille

Wann wurde es errichtet?

1903 bis 1905. Im Jahr 1944 wurde die Schwebefähre von der deutschen Besatzungsmacht zerstört.

Wer nutzte die Schwebefähre?

Die Fähre verband das nördliche mit dem südlichen Ufer des Alten Hafens von Marseille. Sie transportierte vierzig Jahre lang Fußgänger, Autos, Pferdewagen und Lasten. Auf der Aussichtsplattform der Fähre war ein Restaurant untergebracht.

Historischer Hafen mit Verkehrsproblemen

<p>Historischer Hafen mit Verkehrsproblemen</p>
Sicht auf den Alten Hafen in Marseille, 1903.
Quelle: Archives départementales des Bouches du Rhône, 6 Fi 00499.

Der Alte Hafen von Marseille diente Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr als Industriehafen, beherbergte jedoch zahlreiche Segelboote, Schoner und Fischerboote. Man überquerte ihn mit Ruderbooten oder Dampfschiffen („Ferry boat“). Autos, Pferdefuhrwerke und Busse stauten sich, um das Hafenbecken zu umrunden. Der Ingenieur Ferdinand Arnodin überzeugte mit seiner Idee, eine Schwebefähre in Marseille zu errichten. Arnodin hatte bereits Schwebefähren in Frankreich, Spanien und Großbritannien errichtet.


Triumphbogen zwischen Erde und Meer

<p>Triumphbogen zwischen Erde und Meer</p>
Sicht auf Werft und Schwebefähre, ca. 1905.
Foto: Édouard Cornet. Quelle: Archives municipales Marseille, 115 Fi 1679.

Nach zwei Jahren Bauzeit wurde die Schwebefähre im Dezember 1905 eröffnet. Sie verband das Nord- und Südufer des Hafen zwischen dem Fort Saint-Jean und dem Fort Saint Nicolas. Zu Beginn teilweise als unnütz und hässlich verschrien, überzeugte die Schwebefähre als modernes Bauwerk während der Kolonialausstellung 1906 die Besucher:innen.


Eine Gondel vom Hafen zum Strand

<p>Eine Gondel vom Hafen zum Strand</p>
Gondel der Schwebefähre, ca. 1905-1944.
Quelle: Archives départementales des Bouches du Rhône, 6 Fi 03222.

Die Fähre mit einer hängenden Gondel konnte bis zu 200 Passagiere und ein Auto aufnehmen und fuhr täglich bis zu 250 Mal von einem Ufer zum anderen. Für den Autor Paul Carpita war die „Ponttrans“ das Symbol des alten Marseille seiner Kindheit. „Auf der Gondel waren Touristen, Familien, die vom Strand kamen, Eisverkäufer, Fischverkäuferinnen, ein Pferdewagen und sogar ein Taxi…“. Kinder des Hafenviertels hängten sich unter die Gondel, um kostenlos den Hafen zu überqueren.

 


Eine Ikone der modernen Architektur Europas

<p>Eine Ikone der modernen Architektur Europas</p>
Pont transbordeur, 1935.
Foto : Germaine Krull. Quelle: Ville de Marseille, Dist. RMN-Grand Palais, Nr. 17-511817.

Die Schwebefähre wurde ab den 1920er Jahren immer weniger im Alltag genutzt, erlebte jedoch eine Karriere als Kunstobjekt. Internationale Fotograf:innen wie Man Ray, Germaine Krull und Marcel Bovis fotografierten die Schwebefähre. Eine besondere Faszination übte das Bauwerk auf Vertreter des Bauhaus aus. Siegfried Giedion, Lazslo Moholy-Nagy und Herbert Bayer fotografieren die Fähre, die als technisches Meisterwerk angesehen wurde. Nicht zuletzt verewigten Künstler wie Oskar Kokoschka, Albert Marquet, André Verdilhan und Henri Manguin die Fähre auf ihren Leinwänden.

 


Zerstörung im Krieg

<p>Zerstörung im Krieg</p>
Südlicher Pfeiler der Fähre nach der Zerstörung, 1944.
Quelle: Archives départementales des Bouches du Rhône, 7 Fi 02319.

In der Zwischenkriegszeit geriet die Fähre immer mehr in Schwierigkeiten. Passagiere klagten über die hohen Preise und den Lärm des „hässlichen Metallkastens“. Die Fähre ist nun schön, da sie aus der Zeit gefallen zu sein scheint. 1939 gibt es erste Pläne, die Fähre abzureißen. Es ist jedoch die deutsche Besatzungsmacht, welche die Fähre zerstört. Am 22. August 1944 sprengt die Besatzungsmacht den nördlichen Pfeiler der Fähre, um den Zugang der Alliierten zum Hafen zu blockieren. Der südliche Pfeiler bleibt bestehen. Im Rahmen der Wiederaufbaupläne wird der südliche Pfeiler von der französischen Hafenverwaltung am 1. September 1945 gesprengt.


Nostalgie und Wiederaufbaupläne

<p>Nostalgie und Wiederaufbaupläne</p>
Neujahr-Grußkarte mit kurzzeitigem Wiederaufbau der Schwebefähre, in: Zeitung La Provence, 01.01.2001.
Quelle: http://books.openedition.org/pup/docannexe/image/6476/img-2.jpg

Der Alte Hafen von Marseille kann seit 1945 nur mit Booten überquert werden. Die Schwebefähre gibt es nicht mehr. Autos fahren seit der Eröffnung eines unterirdischen Tunnels 1967 unter dem Alten Hafen durch, um vom südlichen zum nördlichen Ufer zu gelangen. An Initiativen, die Fähre wieder aufzubauen mangelte es nicht. Zum Jahreswechsel 2000 wurde die Fähre mithilfe von zwei Kränen und einem Lichtspektakel für einige Tage nachgebaut. Seit 2015 initiiert der Architekt Paul Poirier mehrere Studien, die Schwebefähre wieder zu errichten – bisher vergeblich.


Autor: Daniel Hadwiger


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