Reichsparteitagsgelände | Nürnberg

Titelbild des Steckbriefs für Reichsparteitagsgelände | Nürnberg
Das Gelände des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes mit Kongresshalle und Zeppelintribüne, 2011.
Quelle: Bundespressestelle, B 145 Bild-00235439. Foto: Guido Bergamnn, 22.02.2011. URL: https://bild.bundesarchiv.de/device_barch/dev1/2019/10-18/af/f4/file77kvmxvlvtk1fqdh2jcr.jpg

Am Gelände zeichnen sich verschiedene Zeitschichten ab, was zu Konflikten in der Zuschreibung von Authentizität führt.

Was macht den Ort besonders?

Am Gelände sind verschiedene Zeitschichten sichtbar. Die Diskurse und der Umgang mit ihm geben Auskunft über den Prozess der Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik.

Was sind seine heutigen Funktionen?

Das Gelände und die Bauten werden für Bildungszwecke, Sport- und Freizeitveranstaltungen sowie Erholungsaktivitäten genutzt.

Gibt es aktuell Konflikte?

Auch heute polarisiert der Umgang mit dem Gelände und den Bauten. Die Stadt Nürnberg muss sich den Fragen stellen, ob die Architektur gezielt verfallen soll, erhalten, umgenutzt oder gar rekonstruiert werden soll.

Das ehemalige Reichsparteitagsgelände liegt südöstlich der Nürnberger Altstadt. Die auf dem Gelände befindliche Kongresshalle und Zeppelintribüne sind die beiden herausragendsten Beispiele für architektonische Hinterlassenschaften der NS-Zeit in Deutschland. Der Umgang mit den Bauten hat die Stadt Nürnberg immer wieder vor immense Herausforderungen gestellt. In der Nachkriegszeit wurde der Ort vornehmlich für ahistorische Zwecke genutzt und damit profanisiert. Von Expert:innen als erhaltenswürdig identifiziert, stehen die NS-Gebäude seit 1973 unter Denkmalschutz. Seitdem transformierte sich das Gelände langsam zu einem Erinnerungsort mit didaktischer Vermittlung historischer Ereignisse. Die Stadt hat die hohe Bedeutung für das kollektive Gedächtnis der Menschen erkannt. Trotzdem polarisiert der Umgang mit dem Gelände bis heute.

Ein Freizeitgelände

<p>Ein Freizeitgelände</p>
Der See „Dutzendteich“ mit Leuchtturm, um 1914.
Quelle: Postkarte, Privatkollektion Wolfgang Sauber, via Wikimedia Commons. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsparteitagsgel%C3%A4nde#/media/Datei:N%C3%BCrnberg_-_Dutzendteich.jpg.

Bereits vor 1933 war das Areal von Bedeutung für das öffentliche Leben in Nürnberg. Mit einem Zoo und Volkspark diente es als städtisches Erholungsgebiet. Inmitten des Geländes befand sich ein kleiner See namens „Dutzendteich“. Seit 1906 schmückte ein Leuchtturm das Gewässer. Die Landschaft erschien häufig als Motiv auf historischen Postkarten.


Ideologisierung

<p>Ideologisierung</p>
Militärparade vor der Zeppelintribüne, 1937.
Quelle: Sammlung Bundesarchiv 183-C12658. Foto: September 1937. URL: https://bild.bundesarchiv.de/device_barch/dev2/2020/01-06/a2/33/file78q77imxnnsyij59fyd.jpg.

Unter dem nationalsozialistischen Regime erfuhr das Gebiet eine symbolische Besetzung. Die Nazis nutzten das Gelände als Veranstaltungsort für die NSDAP Partei-tage zwischen 1933 und 1938. Zu diesem Zweck errichteten sie kolossale Gebäude. Die Kongresshalle als geplanten Veranstaltungsort für Tagungen der NSDAP, die bis 1939 nur als unvollendeter Rohbau erstellt werden konnte, ist heute das größte erhaltene Bauwerk der Nazi-Propaganda-Architektur. Das von Albert Speer entworfene Zeppelinfeld mit der massiven Tribüne diente als Hauptveranstaltungsort der Reichsparteitage. Das Gelände am Dutzendteich veränderte seinen Charakter und wurde zu einem Ort der Machtdemonstration, der symbolischen Gewalt und der Gestaltung der Volksgemeinschaft.


Umnutzung

<p>Umnutzung</p>
Das Nürnberger Volksfest neben der ehemaligen Kongresshalle, 2021.
Quelle: Kasa Fue, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberger_Volksfest#/media/Datei:Kongresshalle_Nbg_Juli_2021_5.jpg.

Nach 1945 wurde das Areal in verschiedenen Zusammenhängen genutzt, es entwickelte sich zu einem Sport-, Freizeit und Veranstaltungsgelände. Motorradrennen und Konzerte auf der Zeppelinwiese sowie ahistorische Ausstellungen in der Kongresshalle trugen zur Profanisierung der Bauten bei und sollten nicht zuletzt einen positiven Einfluss auf das Image der Stadt Nürnberg haben. Auch die kurzzeitige Namensänderung der Kongresshalle zu „Ausstellungsrundbau“ entspricht diesem Narrativ und leistete einen Beitrag zur Image-Verbesserung des Gebäudes. Seit 1953 findet auch das Nürnberger Volksfest auf dem Gelände statt.


Entwertung durch Teilzerstörung

Der Wunsch, die Hinterlassenschaften zu beseitigen, führte zu Abrissen und kontrollierten Sprengungen bis 1970. Der Nürnberger Bauausschuss bewilligte im Mai 1967 einen Antrag des Oberbürgermeisters für die Sprengung der Säulengalerie der Zeppelintribüne aufgrund hoher Kosten für eine Instandsetzung. Obwohl es einige kritische Stimmen aus der Zivilbevölkerung gab, die sich gegen die Teilzerstörung aussprachen, konnte der Abriss nicht verhindert werden.
Auch die Absicht, das Gelände zu kommerzialisieren, geht auf diese Zeit zurück. Die Pläne, die Kongresshalle in ein Erlebniszentrum umzuwandeln, lösten massive Kontroversen innerhalb der Stadtbevölkerung aus, die letztlich auch das Scheitern des Projektes beförderten. Die Diskussionen zeugen von einer veränderten Geschichtskultur.


Bürgerschaftliches Engagement

<p>Bürgerschaftliches Engagement</p>
Führung über das ehemalige Reichsparteitagsgelände mit „Geschichte Für Alle e.V.“, 2015.
Quelle: Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände.

Seit den 1980er Jahren engagierten sich auch zivilgesellschaftliche Gruppierungen, die sich für den Erhalt der Stätte einsetzten. Einer der zentralen Akteure war der 1985 aus einer studentischen Initiative gegründete Verein „Geschichte Für Alle“. Ziel war die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Ihrer Bildungsmission folgend, boten die Studierenden 1988 erstmals öffentliche Führungen über das ehemalige Reichsparteitagsgelände an. Der Verein bringt sich bis heute immer wieder in die Diskussionen über den Umgang mit dem Gelände ein und plädiert für dessen Erhalt als authentischen Ort mit Möglichkeit zur Wissensvermittlung.


Information und Tourismus

<p>Information und Tourismus</p>
Eingang des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, 2007.
Quelle: Chris Baier, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsparteitagsgel%C3%A4nde#/media/Datei:Dokumentationszentrum.JPG.

Im Jahr 2001 eröffnete die Stadt in der ehemaligen Kongresshalle ein Dokumentationszentrum. Es löste eine vorübergehende Ausstellung mit dem Namen „Faszination und Gewalt“ in der goldenen Halle unter der Zeppelintribüne ab, die 1980 eingerichtet worden war. Für die Nutzung der Kongresshalle als Ausstellungsort wurde das Gebäude durch eine Stahlkonstruktion strukturell verändert.
Die Stätte wandelte sich zunehmend zu einem Anziehungspunkt für den historischen Tourismus. Besucher:innen werteten die architektonischen Überreste in einer Umfrage als authentische Zeugen der Vergangenheit.


Autorin: Julia Ziegler

Literatur

Bühl-Gramer, Charlotte: Perspektivenwechsel. Das ehemalige Reichsparteitagsgelände aus der Sicht von Besucherinnen und Besuchern, Nürnberg 2019.

Christmeier, Martina: Besucher am authentischen Ort. Eine empirische Studie im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Idstein 2009.

Dietzfelbinger, Eckart: „Faszination und Gewalt“ – vom Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, in: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.): Spuren des Nationalsozialismus. Gedenkstättenarbeit in Bayern, München 2000, S. 163–175.

Dietzfelbinger, Eckart: Der Umgang der Stadt Nürnberg mit dem früheren Reichsparteitagsgelände, Nürnberg 1990.

Geschichte Für Alle e.V. (Hrsg.): Spaziergänge in die Vergangenheit Nürnbergs. Mit Fürth und Erlangen, Cadolzburg 2016.

Gregor, Neil: Haunted City. Nuremberg and the Nazi Past, New Haven 2008.

Katheder, Doris/Weiß, Matthias/Suchy, Regina Maria: Jenseits der Faszination? Die Ausstellung zum Nationalsozialismus in der Nürnberger Zeppelintribüne 1984–2001, Würzburg 2013.

Lehner, Julia (Hrsg.): Erhalten! Wozu? Perspektiven für Zeppelintribüne, Zeppelinfeld und das ehemalige Reichparteitagsgelände. Aufsatzband zur gleichnamigen Tagung am 17./18. Oktober 2015 in Nürnberg, Nürnberg 2017.

Macdonald, Sharon: Difficult Heritage. Negotiating the Nazi Past in Nuremberg and Beyond, London u.a. 2009.

Schmidt, Alexander (Hrsg.): Das Gelände. Dokumentation. Perspektiven. Diskussion. 1945–2015. Ausstellungskatalog des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, Petersberg 2015.

Schmidt, Alexander: Geländebegehung. Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Nürnberg 2005.

Stadt Nürnberg, Presse- und Informationsamt (Hrsg.): Lernort Zeppelinfeld. Projekt zum Erhalt eines besonderen nationalen Erbes, 2. Aktualisierte Auflage, Nürnberg 2017.

Täubrich, Hans-Christian (Hrsg.): Die Kongresshalle Nürnberg. Architektur und Geschichte, Petersberg 2014.


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