Eisenhüttenkombinat Ost | Eisenhüttenstadt

Titelbild des Steckbriefs für Eisenhüttenkombinat Ost | Eisenhüttenstadt
Eisenhüttenstadt, Eisenhüttenkombinat Ost, Hochofen
Foto: Rainer Weisflog, ADN, 08.11.1990. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-1108-001 / CC-BY-SA 3.0

Ein Werk bekommt eine Stadt

Unter welchen Namen ist das Stahlwerk bekannt?

Ursprünglich „Hüttenwerk Hermann Matern“, ab 1953 „Eisenhüttenkombinat J. W. Stalin“ und ab 1963 „Eisenhüttenkombinat Ost“

Wann wurde es errichtet?

Frühe 1950er Jahre

Wer nutzte es?

Arbeiterinnen und Arbeiter

Das ikonische Eisenhüttenkombinat Ost (EKO) ist rasch vom Arbeitsort zum Wahrzeichen geworden. Dem Werk wurde eine Aufwertung im Umfang einer ganzen Stadt, die eigens zur Unterbringung der Arbeiter:innen angelegt wurde, zuteil. Das EKO kann somit auch als identitätsstiftende Instanz identifiziert werden, die auch heute noch Nostalgie auslöst, nicht nur bei den ehemaligen Arbeiter:innen.

Richtung Osten

<p>Richtung Osten</p>
Rodungsarbeiten für das Stahlwerk, um 1950.
Quelle: Sammlung Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR. (2022-07-12). URL: https://brandenburg.museum-digital.de/object/71119

Die Standortwahl für das geplante Stahlwerk folgte politischen Überlegungen: die Lage an der Ostgrenze unterstrich die Ausrichtung der DDR nach Osten, Richtung Sowjetunion. Aber der Standort versprach mit seiner Lage an der Oder auch günstige infrastrukturelle Bedingungen. Bis zum ersten Spatenstich musste allerdings zuerst gerodet werden, denn wo das Werk stehen sollte, standen Wälder. 1950 wurde mit dem Bau des riesigen Komplexes begonnen.


„4, die am Aufbau beteiligt sind“

<p>„4, die am Aufbau beteiligt sind“</p>
Fotografie Arbeitsalltag EKO: Aufbauarbeiter, 1952.
Quelle: Sammlung Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR. (2022-05-24). URL: https://brandenburg.museum-digital.de/object/69608

Dieses Fotos stammt aus einem Album, in dem Arbeitsplatz und gemeinsam verbrachte Freizeit der Stahlwerker gezeigt werden. Es ist mit „4, die am Aufbau beteiligt sind“ betitelt. Wie stets, so werden auch diese Arbeiter optimistisch in die Zukunft schauend präsentiert. Der erste Hochofen im „Hüttenwerk Hermann Matern“ eröffnete 1951. 1953 erfolgte die Umbenennung in „Eisenhüttenkombinat J. W. Stalin“, der zugehörige Wohnort erhielt den Namen Stalinstadt. Bis 1955 entstanden fünf weitere Hochöfen.


Die Frauen des Stahlwerks

<p>Die Frauen des Stahlwerks</p>
Arbeitsalltag EKO: Eisenabstich.
Quelle: Sammlung Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR. (2022-05-24). URL: https://brandenburg.museum-digital.de/object/69610

Hildegard Hennlein, Hochöfnerin im Eisenhüttenkombinat „J. W. Stalin“ erklärte im „Neuen Deutschland“ vom 22. Mai 1953:

„In unserem Werk gab es einen steinigen Weg, ehe die Frauen in den verschiedenen Abteilungen, vor allem am Hochofen, ihren Arbeitsplatz einnehmen konnten. Unsere männlichen Kollegen glaubten, daß eine Frau nicht imstande ist, die Aggregate am Hochofen zu bedienen. Ich bin selbst Hochöfnerin. Ich ging zur technischen Abendschule und legte dort die Prüfung ab. Daß unsere Frauen sich durchsetzen können, beweist, daß fünf Frauen im Arbeitsbereich Hochofen am 8. März, dem internationalen Frauentag, ausgezeichnet wurden und am 1. Mai fünf Aktivistinnen ihre Auszeichnung erhielten. Wir Frauen in unserem Eisenhüttenkombinat ‚J. W. Stalin‘ haben erkannt, wie wichtig es ist, wenn gesellschaftliche und produktive Arbeit im guten Zusammenhang stehen.“


Beworbenes Stahlwerk

<p>Beworbenes Stahlwerk</p>
Zündbrief Bandstahlkombinat.
Quelle: Sammlung Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR. (2022-05-24). URL: https://brandenburg.museum-digital.de/object/69613

1963 erfolgte im Zuge der Entstalinisierung die Umbenennung in „Eisenhüttenkombinat Ost“. Bis zu 16 000 Beschäftigte arbeiteten im Kombinat. Einige Werbemittel wie dieses Streichholzbriefchen haben ihren Weg in die Sammlung des ehemaligen Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt (heute: Museum Utopie und Alltag) gefunden. Das Werk prägte den Alltag nicht nur derjenigen, die als Stahlwerker arbeiteten.


Mehr als Eisen und Hütten?

<p>Mehr als Eisen und Hütten?</p>
Eingang zum Werksgelände Eko Stahl, 2010.
Foto: Elke Kimmel. Quelle: Sammlung Museum Utopie und Alltag. Alltagskultur und Kunst aus der DDR. (2022-07-12). URL: https://brandenburg.museum-digital.de/object/71120

Das Logo des Stahlwerks aus DDR-Zeiten blieb erhalten – noch heute prangt es am Ende der Magistrale. Gerade in den 1990er Jahren schien das Überleben des Werks unsicher. 1990 wude das Kombinat in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, 1994 folgte der Verkauf an ein belgisches Unternehmen. In diesen Jahren bangten Tausende von Menschen um ihre Arbeitsplätze. Die „Neue Zeit“ berichtete am 25. Mai 1994: „Doch die Zeiten der Aufbaulegenden sind dahin. Eko, so das Nachwendekürzel des Stahlstandortes, droht an den Brancheninteressen der alten elf Länder zugrunde zu gehen – eine ganze Region starrt gebannt auf die noch dampfenden Schlote und die Hochöfen. ‚Die Legende lebt‘, verkündet großspurig ein Werbeplakat in den Straßen von Eisenhüttenstadt, doch der Spruch meint nicht die Erzverarbeitung, sondern eine Filterzigarette. Es ist das Elend jeder Monokultur, daß sie auf Gedeih und Verderb abhängig ist von einem Produkt. Auch die Oderstadt macht da keine Ausnahme. ‚Wir sind mehr als nur Eisen und Hütten‘, lallt ein knuddeliger Säugling mit glänzendem Metallerhelm auf einem Werbeplakat der Stadt, doch was immer Dieter Lehmann vom Wirtschaftsförderungsamt auch an hoffnungsvollen Initiativen präsentiert – ohne Eko geht gar nichts.“

2001 arbeiteten noch knapp über 3.000 Menschen für das Unternehmen. Dieses gehört seit 2002 zum indischen Arcelor-Konzern, seit 2006 lautet der Name Arcelor Mittal Eisenhüttenstadt GmbH. Das „EKO“ ist nach wie vor wichtigster Arbeitgeber in Eisenhüttenstadt.


Autorin: Elke Kimmel


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