Großgaststätte „Ahornblatt“ | Berlin

Titelbild des Steckbriefs für Großgaststätte „Ahornblatt“ | Berlin
Großgaststätte „Ahornblatt“, 1973.
Quelle: IRS Erkner/Wiss. Samml., D1_1_1_8A-030.

Die rasche Entwicklung vom gesellschaftlichen Mittelpunkt der Fischerinsel zum Denkmal konnte die Großgaststätte „Ahornblatt" letztlich nicht vor dem Abriss bewahren.

Wann wurde das Gebäude errichtet?

1971 bis 1973. Im Jahr 2000 wurde die Gaststätte abgerissen.

Woher erhielt das Bauwerk seinen Namen?

Von der besonderen Dachform, die an ein Ahornblatt erinnert. Die größtenteils nur 7 Zentimeter dicke Betonschalenkonstruktion wurde von Ulrich Müther konzipiert.

Wer nutzte die Gaststätte?

Es standen mehrere hundert Plätze für das Ministerium für Bauwesen der DDR und für umliegende Schulen zur Verfügung.

Die Debatte um den Abriss des „Ahornblattes" konnte das Gebäude selbst zwar letztlich nicht vor dem Abriss bewahren, doch führte sie zu einer Wiederbelegung der Diskussion um den Wert des Bauerbes der DDR, wodurch andere Bauwerke vermutlich vor demselben Schicksal bewahrt werden konnten. Auch Bauingenieur Ulrich Müther, welcher die Schalen des Ahornblattes entwarf, erlangte durch die Abrissdebatte einen außerordentlichen Bekanntheitsgrad.

DDR-Moderne im Zentrum Berlins

<p>DDR-Moderne im Zentrum Berlins</p>
Blick auf die Fischerinsel im Zentrum Berlins, 2022.
Quelle: Foto: Tobias Rinke, 30.08.2022

Die Fischerinsel inmitten Berlins historischen Zentrum wurde zu Beginn der 1970er Jahre kurzerhand zum Neubauviertel. Es entstanden sechs 21-geschossige Wohngebäude mit je 240 Wohnungen sowie eine Großgaststätte. Letztere wurde aufgrund der auffälligen Dachform von der Berliner Bevölkerung „Ahornblatt“ getauft. Die Schalenkonstruktion des Daches wurde von Ulrich Müther entworfen. Die Pläne für das Gebäude stammten von den Architekten Gerhard Lehmann, Rüdiger Plaethe und Helmut Stingl.


Das Alte muss weichen

<p>Das Alte muss weichen</p>
Mieter:innen beim Auszug, August 1971.
Foto: Kurt Schwarz. Quelle: KS-7-BZ_0552-1. URL: https://nat.museum-digital.de/object/1144678.

Der Zweite Weltkrieg ließ das damals eng parzellierte Wohn-Areal der Fischerinsel in einem größtenteils zerstörten Zustand zurück. Diese bildete einst das gesellschaftliche Zentrum Cöllns, eines der beiden Teile der Doppelstadt Berlin-Cölln. Nach anfänglichen Diskussionen über den Umgang mit dem Fischerkiez entschied sich der Ost-Berliner Magistrat bald für eine Neuplanung des Quartiers. Eine mögliche Rekonstruktion wurde aufgrund des materiellen Aufwands und aus Furcht vor eventueller historischer Ungenauigkeit schnell verworfen. Bevor die Fischerinsel nach den Plänen der DDR umgestaltet werden konnte, wurde zunächst die verbliebene Altbausubstanz beseitigt. Auch die schwerbeschädigte Petrikirche wurde vollständig abgerissen. Unmittelbar gegenüber dieser wurde anschließend das „Ahornblatt“ errichtet. Bevor die Abrissarbeiten im Fischerkiez begonnen werden konnten, mussten die verbliebenden Mieter:innen das Gebiet räumen.


Eine Kantine im Dauerbetrieb

<p>Eine Kantine im Dauerbetrieb</p>
Die Großgaststätte Ahornblatt fotografiert vom Mühlendamm, 2000.
Quelle: Wagner Junker, Anne: Das Ahornblatt – Ein Baukunstwerk der Moderne und seine Vernichtung, Berlin 2003. Foto: Anne Wagner Junker.

Die Großgaststätte „Ahornblatt“ diente als Kantine mit Selbstbedienung für das benachbarte Ministerium für Bauwesen sowie für Schüler:innen umliegender Schulen. Nachmittags und abends war die Gaststätte öffentlich zugänglich und verfügbar für Feiern und kulturelle Veranstaltungen.


Die vergessene Kantine

<p>Die vergessene Kantine</p>
Leerstand Ahornblatt, 2000.
Quelle: Wagner Junker, Anne: Das Ahornblatt – Ein Baukunstwerk der Moderne und seine Vernichtung, Berlin 2003. Foto: Anne Wagner Junker.

Als sich sämtliche politischen Institutionen der DDR nach der Wiedervereinigung Deutschlands auflösten, entfiel die Funktion der Gaststätte als Behördenkantine. Anschließend wurde die Gaststätte bis 1995 unter dem Namen „Exit“ als Diskothek genutzt. Häufig wurde dort auch Techno aufgelegt. Aufgrund des Mangels an Investoren stand das Gebäude daraufhin einige Jahre leer. 1997 wurde das Ahornblatt von der Oberfinanzdirektion Berlins an die Objekt Marketing GmbH verkauft.


Der Kampf um ein Denkmal

<p>Der Kampf um ein Denkmal</p>
Protest zum Erhalt des Ahornblatts, 2000. Foto: Anne Wagner Junker.
Quelle: Wagner Junker, Anne: Das Ahornblatt – Ein Baukunstwerk der Moderne und seine Vernichtung, Berlin 2003. Foto: Anne Wagner Junker.

Obwohl die Großgaststätte 1995 den Denkmalstatus erhielt, gab die Senatsverwaltung den Abriss des „Ahornblatts“ 1999 frei. Sie sollte nun einer stadttypische Blockrandbebauung weichen, welche für die Wiederherstellung des historischen Stadtgrundrisses und Nutzungsvielfalt sorgen sollte1). Dieser Entscheidung folgten Proteste aus der Fachwelt, Bevölkerung und Presse. Die „Initiative zur Rettung und Nutzung des Ahornblatts auf der Fischerinsel“ sammelte über 1 000 Unterschriften gegen den Abriss. Die Stimmen der Abrissgegner:innen waren auch visuell als Graffitis an den Fenstern des Gebäudes sichtbar. Im August 2000 wurde das „Ahornblatt“ dennoch abgerissen. Im Januar desselben Jahres gab Ulrich Müther noch eine letzte Führung durch das von ihm entworfene Gebäude.


Verwischte und entdeckte Spuren

<p>Verwischte und entdeckte Spuren</p>
Eckansicht der Blockrandbebauung vom Mühlendamm, 2022.
Quelle: Tobias Rinke Foto: 30,08.2022.

Die Kontroverse um den Abriss des Ahornblatts trat bundesweite Debatten um denkmalgeschützte Gebäude los. Wenige Jahre nach dem Abriss des „Ahornblattes“ wurde die „Seerose“, ein in Potsdam gelegenes Bauwerk Müthers, unter Denkmalschutz gestellt. Seit 2003 steht an der Stelle des Ahornblatts eine Blockrandbebauung, welche Wohnungen, Büros, Dienstleistungsbetriebe und ein Hotel enthält.  Auf der gegenüberliegenden Seite des Mühlendamms folgten einige Jahre später stilistisch vergleichbare Bauten. Zuvor war man dort, im Rahmen archäologischer Ausgrabungen, auf, aus der Gründerzeit stammende, Bausubstanzreste der Fischerinsel gestoßen. Dank dieser Funde konnten die besagten Baugrundstücke als ehemaliger Standorte des Cöllnischen Rathauses und der Petrikirche identifiziert werden. Derzeit befindet sich auch auf dem Nachbargrundstück des Ahornblattes eine Baustelle. Auch hier war man zuvor bei Ausgrabungsarbeiten auf Altbaureste gestoßen. Der nun entstehende Wohnbau soll bis 2023 fertiggestellt werden.


Autor: Tobias Rinke

Fußnoten

1): Seeböck, Tanja: „Schwünge in Beton – Die Schalenbauten von Ulrich Müther“, 2013, Schwerin, S. 227


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