Gentzrode | Neuruppin
Verfall trotz Denkmalschutz
Wer baute hier?
Alexander Gentz mit Martin Gropius und Heino Schmieden
Wann wurde gebaut?
Mitte des 19. Jahrhunderts
Wer nutzte den Ort?
Die Familie, verschiedene unbekannte Besitzer, verschiedene Militäreinheiten
Ein imposantes Vorhaben
Das Gebäude wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im maurischen Stil für Alexander Gentz nördlich der Stadt Neuruppin errichtet. Wilhelm Gentz, der Bruder des Bauherrn Alexander Gentz, schrieb in den 1870er Jahren an Theodor Fontane:
„Alexander wandte sich zunächst an die Herren Kyllmann und Heyden und bat dieselben um einen Entwurf. Aber was die Herren ihm einsandten, eine reizende Zeichnung im Villenstil, mißfiel ihm, weil es ihm nicht groß genug war. Er ging nun die Herren Gropius und Schmieden um einen andern Plan an. Dieser kam und gefiel ihm. Er war mehr oder weniger orientalischem Geschmacke angepaßt und diesem neuen Plane gemäß, ward denn auch beschlossen, mit dem Bau zu beginnen. Zuvor aber erschien meinem Bruder Alexander, und von seinem Standpunkt aus mit Recht, eine Erhöhung des Terrains nothwendig und zwar ‚imposanteren Aussehns halber‘. Viele Tausende wurden dafür ausgegeben. Schmieden erzählte mir später, es sei ihm angst und bange geworden bei den Ausgaben, die das alles verursacht habe.“
Als Besitzer ist auf dem Titel der Bauakte der Rittergutsbesitzer Harras genannt, der das Anwesen vermutlich Ende des 19. Jahrhunderts erwarb.
Große Pläne
Der undatierte Plan zeigt, wie sich Alexander Gentz sein neues Anwesen vorstellte – gerade die Fassade zur Straße hin hatte einen hochherrschaftlichen Charakter. Die Grundfläche betrug fast 400 Quadratmeter.
Familiengrab am Eigenheim
Auf dem Grundstück bei Neuruppin sollte nach den Wünschen von Gentz auch ein Familiengrab errichtet werden. Auf dem gezeigten Plan ist dieses vermutlich mit einem roten Kästchen rechts vom Haus gekennzeichnet. Das alte preußische Längenmaß Rute entspricht ungefähr drei Metern.
Ein Wohnhaus wird zur touristischen Attraktion
Der Absender hielt sich zum Turnfest in Neuruppin auf – ein Besuch in Gentzrode gehörte um 1900 zum üblichen touristischen Programm. Zu diesem Zeitpunkt war der Eigentümer ein L. Harras – ein Rittergutsbesitzer, der in Berlin wohnte. Die von ihm gewünschten Um- und Erweiterungsbauten erledigte der Bauunternehmer Ernst Brüll aus Charlottenburg.
Weitere Erweiterung
Zwischen 1881 und 1934 wechselte Gentzrode häufig den Besitzer, um 1900 gehört es einem Rittergutsbesitzer Harras. Spätestens 1907 gehörte es dem Rittergutsbesitzer Martin Hewald, der als Teilnehmer an Auto- und Motorbootrennen durch die hauptstädtische Presse ging. Auch er ließ Erweiterungsbauten vornehmen, wie etwa eine Unterkunft für Saisonarbeiter, das „Schnitterhaus“.
Seit 1934 befindet sich das Areal im Besitz der Stadt Neuruppin. Ab 1936 wurden Gebäude und Park durch die Wehrmacht militärisch genutzt.
Vandalisierte Ruine
Die Märkische Oderzeitung berichtete am 4. April 2020:
„[…] Heute ist Gentzrode nur noch etwas für hartgesottene Ruinenromantiker – oder für Vandalen, die alle Zäune längst niedergetreten und in Haus und Speicher mit Graffiti, Feuer und Müll unübersehbar ihre Spuren hinterlassen haben. Kein Wunder, dass aus Sorge vor weiteren Schäden keiner gern Berichte über das ungesicherte Gelände liest – Katastrophentouristen gibt es auch so schon genug.“
Chaotische Planungsversuche und unklare Zukunft
Der Verfall begann 1991 nach dem Abzug der sowjetischen Soldaten, die seit 1945 hier stationiert waren. Es wechselte mehrfach den Besitzer und einige der denkmalgeschützten Gebäude auf dem Areal wurden abgerissen. Seit Gentzrode im Rahmen des Tags des offenen Denkmals im September 1997 erstmals wieder öffentlich zugänglich war, gab es unterschiedliche Planungen: Hier sollte ein Golfressort entstehen, ein Hotel, Büros oder Künstlerwerkstätten. Das Gebäudeensemble wechselte mehrfach den Besitzer, ohne dass auch nur rudimentäre Sicherungsmaßnahmen ergriffen wurden. Seit Mitte der 2010er Jahre versucht der „Freundeskreis Gentzrode“ das Gebäudeensemble vor dem Verfall zu retten. Es gilt als Denkmal von nationaler Bedeutung. Im Jahr 2021 wurden die Gebäude durch eine erneuerte Umzäunung vor Vandalismus geschützt und ein Schutzdach zur Sicherung der historischen Substanz aufgestellt.
Einsiedel-Architekten hat die gezeigte Visualisierung für eine Nutzung als Brauerei mit Hofladen und einliegenden Wohnungen erstellt.
Autorin: Elke Kimmel