Das Pellerhaus am Egidienplatz | Nürnberg
Was ist hier erkennbar?
Das ehemalige Pellerhaus am Egidienplatz.
Wann wurde es errichtet?
1902-1905, 1956-1957.
Wer nutzte es?
Wohn- und Geschäftshaus, Kulturelle Nutzung.
Das ehemalige Pellerhaus
Am 9. August 1600 erwarb der Kaufmann Martin Peller ein Areal am Egidienplatz. Dort ließ er zwischen 1602 und 1607 einen repräsentativen Neubau im Stil der Spätrenaissance mit Elementen der Gotik durch den Baumeister Jakob Wolff d. Ä. errichten. Die außergewöhnliche Giebelfassade machte das Pellerhaus zu einem repräsentativen Musterbeispiel eines Renaissance-Bürgerhauses in der Nürnberger Innenstadt. Nach mehreren Besitzerwechseln verbunden mit Umbau- und Sanierungsmaßnahmen gelangte das Haus 1929 in den Besitz der Stadt Nürnberg. Die Stadt nutzte das Gebäude nach weiteren Renovierungsmaßnahmen seit 1932 als Stadtarchiv.
Schwere Verluste
In Folge der schweren Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs trafen die Bomben der Alliierten auch das Pellerhaus und ließen Anfang 1945 nur eine Ruine zurück. Von der Fassade blieben nur die Reste des Erdgeschosses erhalten. Im Innenhof blieb der alte Treppenturm sowie große Teile der Hinterhausfassade erhalten. Nach Diskussionen entschied man sich für die Sicherung der Ruinen und gegen eine vollständige Enttrümmerung, was alle späteren Diskussionen um das Pellerhaus nachhaltig prägen sollte.
Eine Melange aus Alt und Neu
Dem Wiederaufbau des Pellerhauses in den 1950er Jahren ging ein Ideenwettbewerb voraus, den die Architekten Fritz und Walter Meyer für sich entscheiden konnten. Ganz grundsätzlich hatten sich die beiden Architekten gegen eine Rekonstruktion des ursprünglichen Pellerhauses entschieden, da es sich lediglich um eine Kopie des Originals handeln könnte. Dies war auch im Sinne des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. Auch der Baukunstbeirat sprach sich für den Entwurf der beiden Architekten und damit für ein Zusammenspiel von Alt und Neu aus. Zwischen 1956 und 1957 erfolgte der Wiederaufbau des Pellerhauses. Das Vorderhaus wurde unter Einbeziehung historischer Bausubstanz durch einen modernen, funktionalen Bau im Stile der 1950er Jahre ersetzt. Anschließend konnte das Gebäude weiterhin als Archiv bzw. Bibliothek genutzt werden. In einer späteren Abänderung des Architekten-Entwurfs auf Wunsch des Denkmalamtes wurde die fragmentarische Teilrekonstruktion im Innenhof des Pellerhauses festgelegt. Dieser wurde Ende der 1950er Jahre mit der erhaltenen historischen Bausubstanz teilrekonstruiert. Der gesamte Gebäudekomplex, d.h. die erhaltenen Bauteile des Renaissancegebäudes sowie die Nachkriegsarchitektur, wurden 1998 unter Denkmalschutz gestellt.
Teilrekonstruktion des Innenhofs
Unzufrieden mit dem ruinösen und nur teilweise wiederaufgebauten Zustand des Innenhofs entwickelte sich 2005 eine Initiative um den Steinmetz Harald Pollmann zum vollständigen Wiederaufbau des Pellerhaus-Innenhofes. Die Altstadtfreunde Nürnberg schlossen sich dem Vorhaben an und gründeten den Arbeitskreis Pellerhaus. Obwohl die Denkmalschutzbehörde gegen eine vollständige Rekonstruktion aufgrund einer möglichen Gefährdung der historischen Bausubstanz plädierte, sprach sich der Nürnberger Stadtrat 2006 grundsätzlich für eine Rekonstruktion des Innenhofes aus. Eine finanzielle Beteiligung durch den Stadtrat wurde zugleich ausgeschlossen. Der Innenhof konnte nach Aufstellung eines Finanzierungskonzepts auf Grundlage von Spenden rekonstruiert werden.
Die Diskussionen halten an
Seit 2010 ist das Pellerhaus Sitz des Deutschen Spielearchivs. Die Diskussionen über den Umgang mit dem Gebäude sind jedoch noch nicht verklungen. Einige Nürnberg Bürger:innen, darunter auch die Altstadtfreunde, sprachen sich seit 2018 für die vollständige Rekonstruktion des Vorderhauses aus, das mit dem Abriss des modernen Nachkriegsbaus einhergehen würde. Zur Unterstützung der Position für die Rekonstruktion des Pellerhauses und zur Generierung öffentlicher Aufmerksamkeit geben die Altstadtfreunde seit 2012 jährlich eine Publikation, das sog. Pellerhaus-Magazin, heraus. Die Befürworter des Erhalts der Nachkriegsarchitektur formierten sich in der Initiative „Pro Pellerhaus“ und erreichten durch ihr Engagement, die Rekonstruktionsvorhaben fürs Erste abzuwenden. Im Kern drehen sich die Diskussionen um die Frage, welcher architektonischen Stilrichtung man den Vorzug geben möchte und sind mit aufs Engste mit Fragen der historischen Authentizität verbunden.
Autorin: Julia Ziegler
Literatur
Altstadtfreunde Nürnberg e.V. (Hrsg.): Pellerhaus Magazin. Ein Magazin der Altstadtfreunde zum Wiederaufbau des Pellerhofes, Nürnberg, 2012–2020.
Ruth Bach-Damaskinos, Erich Mulzer: Pellerhaus, in: Michael Diefenbacher, Rudolf Endres, (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg, Nürnberg, 1999.
Matthias Böckel (Hg.): Pellerhaus Nürnberg. Baubeginn 1602 – Wiederaufbau 1957 – Rekonstruktion Hof 2008, Nürnberg, 2009.
Pablo de la Riestra: Nürnberg. Die historische Altstadt, Petersberg, 2005.