Schloss der Pommerschen Herzöge / Zamek Książąt Pomorskich w Szczecinie | Szczecin
Immerwährendes Stadtsymbol mit schwankender Beliebtheit: Das Schloss der Pommerschen Herzöge in Szczecin.
Was ist das?
Schloss der Pommerschen Herzöge
Wann wurde das Schloss errichtet?
Etwa 13. Jahrhundert, Wiederaufbau: 1958–1964 und 1970–1985
Wie wird das Gebäude genutzt?
Heute ist es ein touristisches Ausflugsziel mit einem Opernhaus, Kino, Konferenzsaal, Büros, Theater, Ausstellungsräumen, Museum, Galerie, Aussichtsplattform, administrativen Räumen der Wojewodschaft sowie einem Café.
Ursprung
Die Geschichte des Schlosses der Pommerschen Herzöge in Stettin reicht bis in das 13. Jahrhundert zurück. Der bis dahin vorhandene Burgwall wurde von Barnim I., Herzog von Pommern, zur Residenz ausgebaut, als er die Hauptstadt des Herzogtums nach Stettin verlegte. Seine Nachfolger verbanden die verschiedenen Gebäude auf dem Schlossberg zu einem vierflügeligen Schloss im italienischen Renaissancestil. Nur der Südflügel blieb im spätgotischen Stil erhalten. Unter preußischer Regierung wurde das Gebäude für Behörden genutzt.
Auslöschung und erste Wiederentdeckung der Renaissancezeit
In preußischer Zeit galt die Renaissancefassade als veraltet, wurde abgeklopft und um vereinzelte barocke Elemente ergänzt. Ab dem beginnenden 20. Jahrhundert stritten sich jedoch Zeitzeugen um das Aussehen des Schlosses. In einem Reiseführer wird es als „kahl“, „nüchtern“, „grau“ und „ohne den zierlichen Schmuck der Giebel und Erker der Renaissancezeit“ beschrieben. Zur Wiederherstellung eines repräsentativen Zustandes sollte die Geschichte der Herzöge von Pommern und somit auch das ehemalige Aussehen der Residenz genauer erforscht werden. Allerdings wurden nur einzelne Konservierungsarbeiten durchgeführt, die den Ruf nicht wesentlich verbesserten.
Zerstörung und Aufbau als Piastenschloss
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss durch einen Luftangriff am 17. August 1944 stark beschädigt. Als nach Monaten der Unsicherheit über die nationale Zugehörigkeit die Verwaltung der nun zu Szczecin umbenannten Stadt an Polen übergeben wurde, erklärte man das Schloss zu einem der wichtigsten öffentlichen Denkmäler der Stadt. Sein Wiederaufbau sollte die neue polnische Identität des Ortes betonen. Grundlage hierfür bildete das Narrativ der „wiedergewonnenen Gebiete“ (Ziemie Odzyskane). Es legitimierte die Inbesitznahme der durch die Grenzverschiebung gewonnenen Westgebiete – inklusive Szczecin – durch die Volksrepublik historisch. Ausgangspunkt ist das Herrschaftsgebiet der Piasten im 10. bis 12. Jahrhundert – das Königreich Polen. In Anlehnung daran wurde das Schloss auch „Piastenschloss“ genannt.
Die neue „Blütezeit“ oder die zweite Wiederentdeckung der Renaissancezeit
Der Wiederaufbau (1958–1964 und 1970–1985) war geprägt von der Hervorhebung der polnisch konnotierten Elemente des Schlosses und der geplanten Nutzung. Auf den Erhalt von originaler Bausubstanz wurde wenig Wert gelegt. Großen Einfluss hatten die neusten Erkenntnisse der polnischen Forschungsgemeinde, die sich intensiv mit den Pommerschen Herzögen auseinandersetzten sowie archäologische Ausgrabungen beim Schlossberg veranlassten. Weitere Einflussfaktoren der Rekonstruktion waren die einschneidenden Sachzwänge und der Wunsch nach modernen stadtplanerischen Lösungen.
Bei der Rekonstruktion wurde das Aussehen der Renaissancezeit restauriert, wobei spätere Umbauten nicht berücksichtigt wurden. Vorbild war ein Stich von Matthäus Merian von 1652. Indem man die Renaissancearchitektur wiederaufbaute, wurde die „Blütezeit“, d.h. die Hochzeit der Pommerschen Herzöge, in den Vordergrund gestellt. Angestrebt wurde eine historisch wirkende Außenansicht mit moderner, der Nutzung angepasster Innenausstattung.
Ende der 1950er Jahre zeigten die Erkenntnisse des polnischen Professors Gerard Labuda, dass das regional bedeutsame Geschlecht der Pommerschen Herzöge – mit dem Greif als Wappentier – keine piastische Abstammung hatte. Das Schloss wurde von da an „Greifenschloss“ genannt. Um die pommerschen Herzöge – das Greifengeschlecht – wurde ein eigener Mythos konstruiert, der sie als eigenständiges, slawisches Herrschergeschlecht präsentierte. Das Schloss wurde zu dessen Sinnbild. Zusätzlich wurden an verschiedensten Punkten der Stadt Greifenstatuen, oder Verweise auf Greife etabliert. Es bildete sich ein „Greifenmythos“ heraus, der in der Stadt in vielen Formen aufgegriffen wurde.
Ikonisierung in jeder Zeitschicht
Mit den Umbrüchen um 1989 öffnete sich die Sichtweise auf das Schloss. Da die symbolische Bedeutung des Schlosses nicht mehr das Narrativ der „wiedergewonnenen Gebiete“ betonen musste, konnten neue Aspekte in die Erzählung um das Schloss einfließen. Unter anderem wird nun der Wiederaufbau selbst als „Pionierarbeit“ gewürdigt. Die Pioniere sind dabei die ersten polnischen Siedler nach dem Zweiten Weltkrieg, die das zerstörte Szczecin zu der Stadt in ihrer heutigen Form wiederaufgebaut haben.
Trotz der Öffnung der Debatte und der Bekanntheit der verschiedenen Zeitschichten des Schlosses, bleibt das Schloss klar den Herzögen von Pommern zugeordnet. Die Sichtweise auf das Schloss wurde zwar nach dem Zweiten Weltkrieg politisch gesteuert, traf jedoch mit dem „Greifenmythos“ auf starken Rückhalt in der lokalen Bevölkerung, sodass sie bis heute die primäre Wahrnehmungsebene bestimmt.
Trotz der verschiedenen Bewertungen durch Zeitzeug:innen, war das Schloss seit dem 20. Jahrhundert in der jeweiligen Zeitschicht eine Ikone der Stadt, um die sich in Authentizitätsdebatten gestritten wurde.
Autorin: Tabitha Redepenning