Amerika Haus | Berlin
Festung US-amerikanischer Freiheit
Was ist das Amerika Haus?
Ein US-amerikanisches Informations- und Kulturzentrum der 1950er Jahre, heute eine Fotogalerie und Sitz der Landeszentrale für politische Bildung
Wer war der Architekt?
Der Architekt Bruno Grimmek anlässlich der Internationalen Bauausstellung 1957
Wo steht das Amerika Haus?
In der Nähe des Bahnhofs Zoo und der ehemaligen Grenze zum Ostsektor Berlins
Fotos aus Vergangenheit
In der Hardenbergstraße 22-24, dem Standort des Amerika Hauses, stand bis 1945 eine großbürgerliche Villa aus dem späten 19. Jahrhundert. In den „goldenen Zwanzigern“, genauer 1926, zog das Tanzlokal „Villa D’Este“ ein. Von 1940 bis 1943 richtete das NS-Propagandaministerium das „Haus der Kunst“ ein. Hier wurden Kunstwerke und Fotografien von den deutschen Verbündeten Kroatien und Italien sowie von SS und Reichsarbeitsdienst gezeigt.1)
„Nicht viel mehr als eine Bücherstube“ (Tagesspiegel)2)
Bis 1957 hatte die United States Information Agency, eine US-amerikanische Behörde für politische Öffentlichkeitsarbeit, in Berlin keine feste Adresse. Um das Kulturangebot der USA dennoch möglichst vielen Berliner:innen zugänglich zu machen und somit Sympathien für die Schutzmacht zu wecken, fuhr ab 1952 eine Autobücherei durch den Westteil der Stadt. Auch nach dem Bau des Amerika Hauses wurde dieses Programm erhalten.
Alte Adresse mit neuer Bedeutung
Der Standort für das Amerika Haus wurde 1956 bewusst gewählt: Sein Bau überschrieb die 1943 bei einem Luftangriff zerstörte vormalige „Berliner Kunsthalle“ aus NS-Zeit und war prominent im neuen Zentrum West-Berlins am Bahnhof Zoo gelegen.³) Auf dem Foto erkennt man hinter dem Amerika Haus am linken Bildrand das Bahnhofsgebäude vom Zoo.
„Pathos der Sachlichkeit“ (C/O Berlin)4)
Das Entwurfsprogramm von Architekt Bruno Grimmek sah einen offenen, einladenden und modernen Bau vor, der sich von NS-Kultur und -Architektur deutlich abgrenzte. Dem repräsentativen Pathos der NS-Architektur wollten die USA mit ihrem Symbolbau einen „Pathos der Sachlichkeit“, so beschreibt es der heutige Besitzer, die Fotogalerie C/O Berlin, „zwischen Freundlichkeit und Feierlichkeit“ entgegensetzen.5)
Schaufenster und Festung
Auf diesem Foto ist der lichtdurchflutete Lesesaal des Amerika Hauses abgebildet. Bis 1961 kamen auch Ost-Berliner:innen, um Bücher zu lesen und Filme zu schauen, die es im sowjetischen Sektor nicht gab. West-Berlin galt aber nicht nur als „Schaufenster des Westens“, sondern auch als „Frontstadt“6). Mit der Zuspitzung des Kalten Krieges wurden die Bücherregale antikommunistischer. Wie eine „Festung“, so der Journalist Sascha Brandt 2013 in militaristischer Sprache,7) sollte das Amerika Haus die kulturpolitische Freiheit West-Berlins sichern.
„Er war um die Ecke zu Bilka gegangen und hatte ein Zehnerpack Eier zu 1,99 DM gekauft.“ (Friedrich Christian Delius)8)
Für die linke Student:innenschaft entwickelte sich das Amerika Haus zum Objekt ihrer Hassliebe mit den USA: Jimi Hendrix, Bob Dylan und Vorbild friedlichen Protests versus kapitalistische Konsumwelten und Vietnam-Krieg. Während der Vietnam-Proteste 1966 wurden Eier an die Fassade geworfen, sodass ihr Dotter am Mosaik der amerikanischen Flagge herunterrann. Der Eierwurf wurde im Nachgang von Teilen der Presse zum Schlüsselmoment der West-Berliner 68er-Proteste skandalisiert.10)
Es „warnen Schilder vor dem Wachhund. Gitterrollos sichern die Fenster, von deren Rahmen hier und da der Lack abplatzt.“11)
Auf die Anschläge vom 11. September 2001 reagierten die USA mit Abschottungspolitik – im Großen, wie im Kleinen. Besucher:innen konnten nun nicht mehr spontan ins Amerika Haus, sondern mussten sich voranmelden und Sicherheitsschleusen passieren. Außerdem schien mit der deutschen Wiedervereinigung die Mission „Kapitalismus und Demokratisierung“ abgeschlossen. Das Amerika Haus verlor seine Funktion als amerikanischer Vorposten und der Etat wurde gekürzt. 2006 wurde es nach der Schließung von der US-Botschaft an den Berliner Senat übergeben.
Ausgrabungen
Stephan Erfurt, Direktor der Fotogalerie C/O Berlin, die 2014 das Gebäude nach einer grundlegenden Sanierung bezog, beschrieb die erste Begehung wie folgt: „Dann haben wir uns das Haus angeschaut – peu à peu wie Archäologen“ hätten sie der originalen Bausubstanz und historischen Fotos nachgespürt, um die architektonischen Ideen von Grimmek wieder erfahrbar zu machen.12) Das c/o stellt heute die Werke zeitgenössischer Fotograf:innen aus aller Welt aus – ein fotografischer Zeitensprung zu den Ursprüngen der Adresse in der Hardenbergstraße.
Autorinnen: Anna M. Weber, Josephine Eckert, Sabrina Runge
Fußnoten
1) Mirko Nowak, in: Open-Air-Ausstellung in Berlin: Bourgeoisie, Swing und Molotow-Cocktails, Gesellschaft Freunde der Künste, 1.7.2013, URL: https://www.freundederkuenste.de/kunst/videogalerie/einzelansicht/artikel/open-air-ausstellung-in-berlin-bourgeoisie-swing-und-molotow-cocktails/.
2) Andreas Austilat, in: Es war einmal im Amerika. USA in Berlin, Der Tagesspiegel, 29.6.2008. URL: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/geschichte/usa-in-berlin-es-war-einmal-im-amerikahaus/1267298.html.
3) Sascha Brandt, in: Amerika Haus. Hier begann die Umerziehung der Deutschen, Cicero, 17.7.2013, URL: https://www.cicero.de/kultur/amerika-haus-hier-begann-die-umerziehung-der-deutschen/55085.
4) Hans Georg Hiller v. Gaertringen: Pop, Politik und Propaganda. Das Amerika Haus Berlin im Wandel der Zeit, 2015, S. 69.
5) Ebd.
6) Stefanie Eisenhuth und Martin Sabrow, in: „West-Berlin“. Eine historiographische Herausforderung, Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 11 (2014), H. 2, URL: https://zeithistorische-forschungen.de/2-2014/5090#kap2.
7) Sascha Brandt, in: Amerika Haus. Hier begann die Umerziehung der Deutschen, Cicero, 17.7.2013, URL: https://www.cicero.de/kultur/amerika-haus-hier-begann-die-umerziehung-der-deutschen/55085.
8) Andreas Austilat und Norbert Thomma, in: „Die kostbare Freiheit nein zu sagen“. Interview mit Friedrich Christian Delius, Der Tagesspiegel, 31.1.2016, URL: https://www.fcdelius.de/gespraeche/die_kostbare_freiheit_nein_zu_sagen/.
9) Andreas Austilat, in: Es war einmal im Amerika. USA in Berlin, Der Tagesspiegel, 29.6.2008. URL: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/geschichte/usa-in-berlin-es-war-einmal-im-amerikahaus/1267298.html.
10) ebd.
11) ebd.
12) Oliver Kranz, in: C/O Berlin im Amerika Haus. Aus dem Dornröschenschlaf erwacht, Deutschlandfunk, 30.10.2014, URL: https://www.deutschlandfunk.de/c-o-berlin-im-amerika-haus-aus-dem-dornroeschenschlaf-100.html.