Bahnhof Pirschheide | Potsdam

Titelbild des Steckbriefs für Bahnhof Pirschheide | Potsdam
Der ehemalige Potsdamer Hauptbahnhof ist heute ein Geisterbahnhof, 2014.
Foto: IMAGO / Jürgen Hanel

Gras in den Gleisen

Wer baute hier?

Wolfgang Dreßler und Walter Mempel vom Entwurfsbüro der Deutschen Reichsbahn. Gebaut wurde 1956/1957.

Wofür ist der Bahnhof bekannt?

Fast 35 Jahre war er der viel genutzte Hauptbahnhof von Potsdam.

Wie sieht die Zukunft des Bahnhofs aus?

Das ist noch ungewiss. Derzeit gibt es Pläne ihn als Pendlerbahnhof wieder auszubauen.

Der Bahnhof Pirschheide wurde 1958 als einer der sehr wenigen Bahnhofsneubauten der DDR eröffnet. Er verband die Stadt über den Berliner Außenring mit Ostberlin und dem Flughafen Schönefeld. Bis zur Wende war er Potsdams Hauptbahnhof. Anschließend verlor er seine Bedeutung. Der Bahnhof ist ein Produkt der deutschen Teilung und sein Betrieb existierte ausschließlich unter den Vorzeichen der DDR. Mit der Maueröffnung verschwand er innerhalb kürzester Zeit aus dem Alltag der Potsdamer:innen. So wurde er zu einem Erinnerungsort für die DDR-Zeit in der Stadt und sein Zerfall zu einem Beispiel für den Bedeutungsverlust ihrer städtebaulichen Zeugnisse. Der Kontrast zwischen der früheren Betriebsamkeit und den heute ausgestorbenen Bahnsteigen führt bei vielen Besucher:innen zu einer nostalgischen Aufladung des Ortes.

Themen der Authentisierung: Entwertung

Fernverkehr für den Berliner Außenring

<p>Fernverkehr für den Berliner Außenring</p>
Der Bahnhofsvorplatz, ca. 1957.
Foto: Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte / Werner Taag

Viele Berliner Bahnstrecken und Bahnhöfe der Vorkriegszeit verloren mit der politischen Teilung der Stadt ihre Funktion, denn die neuen Grenzen verliefen zum Teil quer zu den Schienen. Die Stadt Potsdam war vom Ostteil Berlins abgeschnitten. Zur Umgehung baute die Deutsche Reichsbahn den Berliner Außenring. 1957 eröffnete sie den neuen Fernbahnhof „Potsdam Süd“ als Umsteigebahnhof und eine einer der wichtigsten Stationen des Rings.


„Mit der Inbetriebnahme der neuen Straßenbahnstrecke steht also nichts mehr im Wege, schnell und bequem den Bahnhof Potsdam-Süd zu erreichen. …“1)

<p>„Mit der Inbetriebnahme der neuen Straßenbahnstrecke steht also nichts mehr im Wege, schnell und bequem den Bahnhof Potsdam-Süd zu erreichen. …“<sup>1)</sup></p>
Die Straßenbahnlinie 1 an der Endhaltestelle Potsdam Hbf, 14.6.1961.
Foto: BArch Bild 183-83840-0001 / Voigt, Siegfried

„Potsdam Süd“ avancierte mit seinem hohen Verkehrsaufkommen schnell zum heimlichen Hauptbahnhof der Stadt – obwohl er ungewöhnlich weit außerhalb des Stadtzentrums lag. 1958 wurde die Straßenbahnlinie 1 in nur wenigen Wochen Bauzeit verlängert und verband fortan den Bahnhof mit dem Zentrum.


„… Damit wird auch, was viele Potsdamer besonders während der Sommermonate interessieren wird, das neue Erholungszentrum um den Templiner See verkehrstechnisch erschlossen.“2)

<p>„… Damit wird auch, was viele Potsdamer besonders während der Sommermonate interessieren wird, das neue Erholungszentrum um den Templiner See verkehrstechnisch erschlossen.“<sup>2)</sup></p>
Die Mitropa-Gaststätte als Postkartenmotiv, 1962.
Foto: o. A. / DDR-Postkartenmuseum, URL: https://www.ddr-postkarten-museum.de/picture.php?/19787/tags/98-mitropa.

Blumenladen, Kiosk und Mitropa-Gaststätte – am Bahnhof herrschte nicht nur Durchgangsverkehr. Besucher:innen und Potsdamer:innen erlebten den Bahnhof auch als Ausflugsziel auf ihrem Weg in die Naherholungslandschaft der Havelseen mit ihren Badestränden.


„In der Halle des Hauptbahnhofes Potsdam herrscht reges Leben. Bis zu 10 000 Reisende werden täglich (…) abgefertigt.“ 3)

<p>„In der Halle des Hauptbahnhofes Potsdam herrscht reges Leben. Bis zu 10 000 Reisende werden täglich (…) abgefertigt.“ <sup>3)</sup></p>
Die Eingangshalle des Bahnhofs, April 1963.
Foto: BArch Bild 183-B0417-0006-002 / Brüggmann, Eva

1960 erfolgte die offizielle Umbenennung in „Hauptbahnhof Potsdam“. Dieses Foto stammt von der ADN-Fotografin Eva Brüggmann und inszeniert den Bahnhof als freundlichen, funktionalen Ort und seinen Bau als Erfolgsgeschichte. Bis heute ist die Eingangshalle ein beliebtes Motiv für Postkarten.


Aura des Westens

<p>Aura des Westens</p>
Ein "Sputnik", ein auf dem Berliner Außenring verkehrender Nahverkehrszug der Deutschen Reichsbahn, am Potsdamer Hauptbahnhof, 1987.
Foto: bpk / Gert Koshofer

Der Bahnhofsbetrieb wuchs stetig. Ende der 1970er Jahre arbeiteten ca. 110 Personen und 30 Lehrlinge daran, die 250 Züge am Tag abzufertigen. In den 1980er-Jahren waren es schon 400 Züge täglich. Neben Regional- und Fernzügen fuhren auch die Interzonenzüge Görlitz-Aachen und Rostock-München über Potsdam. Die Aura des Westens lud die Atmosphäre des Bahnhofs zusätzlich auf.


Bahnhofsflair

<p>Bahnhofsflair</p>
Betriebsamkeit auf dem Bahnhofsvorplatz, Privataufnahme, Oktober 1972.
Foto: BArch Bild N 1648 Bild-KF23752 / Beier, Manfred

Der Bahnhof war Dreh- und Angelpunkt des Städtetourismus, der in Potsdam auch zu DDR-Zeiten eine große Rolle spielte. Auf dieser privaten Aufnahme ist ein Werbeschild der Stadt mit einem Bild von Schloss Cecilienhof zu erkennen. Das Gemenge von „Touris“ und Anwohner:innen sorgte für das so typische Bahnhofsflair. Bis heute erinnern sich Potsdamer:innen daran, wie belebt der Bahnhof gewesen sei.


„Das waren noch Zeiten.“

<p>„Das waren noch Zeiten.“</p>
Durchfahrt nach Seddin, Privataufnahme, März 1986.
Foto: User Herr Ebert/Fotocommunity. URL: https://www.fotocommunity.de/photo/potsdam-hbf-am-07031986-karsten-fink/24457391

Dieses Foto von 1986 zeigt eine Güterzuglok „Taigatrommel“ auf dem unteren Gleis des damaligen Potsdamer Hauptbahnhofs. Am oberen Bahnsteig wartet eine Gruppe NVA-Soldaten auf den Zug. Das durch seine Farbgebung nostalgisch wirkende Foto wurde von einem User auf einer Amateur-Fotografie-Website hochgeladen. Ein anderer kommentierte: „Die Melancholie des real existierenden Sozialismus. Wunderbar eingefangen.“ Es ist ein Beispiel, wie der Bahnhof retrospektiv als Zeugnis seiner Zeit mit Authentizität und Aura aufgeladen wird.


Lost Place Pirschheide

<p>Lost Place Pirschheide</p>
Die verfallene Bahnsteigaufsicht, 2014.
Foto: IMAGO / Jürgen Hanel

Mit der Mauereröffnung und dem Wiedereinsetzen des S-Bahn-Betriebs zwischen Berlin und Potsdam verlor der Bahnhof schlagartig seine Bedeutung. Er wurde umbenannt in „Bahnhof “ und zum Hauptbahnhof wurde der Bahnhof „Potsdam Stadt“ im Zentrum der Stadt. Nach und nach schlossen die Eingangshalle, der Ticketverkauf, der Kiosk und schließlich die Gleise. Heute fährt nur noch der Regionalzug nach Michendorf den Bahnhof an.

 

 


„[E]in Stück Heimatgefühl für manchen Partygast.“4)

<p>„[E]in Stück Heimatgefühl für manchen Partygast.“<sup>4)</sup></p>
Konzert von Johannes Oerding in der ehemaligen Empfangshalle des Bahnhofs, 2017.
Foto: Frank Braun. URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Konzert_Johannes_Oerding_in_Potsdam,_2017.jpg#/media/File:Konzert_Johannes_Oerding_in_Potsdam,_2017.jpg, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Seit 2017 ist die Eingangshalle wieder offen – allerdings nicht für den Reiseverkehr, sondern für Konzerte, Mottopartys, Ausstellungen und private Feiern. Bei dem Umbau wurden viele Details erhalten und die Eröffnungsparty startete mit einer Slideshow historischer Aufnahmen. Das Zielpublikum, das noch den Betrieb als Hauptbahnhof erinnert, „freute sich, Altbekanntes wieder zu entdecken.“ 5) Der neue Ort spielt im Marketing auch mit diesen historischen Bezügen.


Autorin: Josephine Eckert

Fußnoten

1): Zitat aus Märkische Volksstimme, November 1958, hier zitiert nach: Juliane Primus, in: In der Heide aus dem Boden gestampft, MAZ, 10.1.2013.

2): Ebd.

3): Auszug aus der originalen Bildunterschrift.

4): Steffi Pyanoe, in: Pullerparty im alten Bahnhof, PNN, 21.5.2017, URL: https://www.pnn.de/potsdam/neuer-club-pirschheide-in-potsdam-ist-eroeffnet-pullerparty-im-alten-bahnhof/21345982.html.

5): Ebd.


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