Der Handwerkerhof „Alt-Nürnberg“ | Nürnberg

Eine inszenierte mittelalterliche Kulisse
Wer baute hier?
1971 errichtete eine Ausstellungsgesellschaft im Rahmen des Dürer-Jahres Imitationen von Fachwerkarchitektur im ehemaligen Waffenhof am Frauentorturm.
Was macht den Ort besonders?
Der Handwerkerhof ist eine marktähnliche Einrichtung mit Mittelalter-Flair.
Wer nutzt den Handwerkerhof?
Ein Besuch von „Alt-Nürnberg“ ist vor allem bei Tourist:innen sehr beliebt.
Die Nürnberger Stadtmauer

Die Nürnberger Stadtmauer entstand zwischen 1350 und 1400 und symbolisiert die Bedeutung Nürnbergs als freie Reichsstadt im Mittelalter. Den südöstlichen Eingang zur Stadt markierte das Frauentor zusammen mit dem Frauentorturm, der als einer von vier Rundtürmen der Stadtumwallung ein markantes Identifikationsmerkmal für die Stadtbewohner:innen bildet. Der ursprünglich viereckige Torturm am Frauentor erhielt 1558 eine Ummantelung und wurde durch diesen Umbau zum Rundturm mit einer Wandstärke von drei bis sechs Metern.
Der historische Waffenhof

Als Waffenhof wird ein in sich geschlossener Teil einer Festungsanlage bezeichnet. Er diente als eine militärische Schutz- und Kontrollzone. Als Mittelstück der inneren und äußeren Stadtumwallung entstand 1450 der Waffenhof am Frauentorturm und war ursprünglich ohne jede Bebauung.
Der Frauentorturm wurde während des Luftkriegs als Luftschutzbunker genutzt. Große Teile des Areals wurden 1945 durch Luftangriffe der Alliierten zerstört, die erst 1953 vollständig wiederaufgebaut werden konnten.
Aufgrund der guten Lage am Eingang zur Altstadt mit viel Passantenverkehr entschied sich der Nürnberger Stadtrat 1949 für eine zwischenzeitlich ökonomische Nutzung des Waffenhofs mit provisorisch errichteter Ladenzeile und Verkaufsläden.
Der Handwerkerhof entsteht – Das „echte Alte“ neben dem „falschen Neuen

Anlässlich des Jubiläumsjahres zu Ehren Albrecht Dürers schuf die Stadt Nürnberg im ehemaligen Waffenhof 1971 eine bürgernahe und touristische Attraktion. Um eine mittelalterliche Atmosphäre zu erzeugen, errichtet eine Ausstellungsgesellschaft in Absprache mit dem Denkmalschutzamt nachgeahmte Fachwerkhäuschen im Waffenhof. Dafür ersetzten die Verantwortlichen unter anderem den ehemaligen Teerboden durch Kopfsteinpflaster.
Der Handwerkerhof – Ein ökonomisches Kalkül?

Das im Handwerkerhof nostalgisch verklärte mittelalterliche Gesamtbild bietet bis heute Platz für den Verkauf von Kunsthandwerk sowie typisch Nürnberger Spezialitäten wie Lebkuchen. Besucher:innen können den Handwerker:innen, die zeitweise auch in historischen Gewändern gekleidet waren, beim Fertigen ihrer Produkte zusehen. Mit den simulierten Fachwerkhäusern sollte das Areal die für Nürnberg typische „Butzenscheiben-Romantik“ hervorrufen. Es steht nicht die Vermittlung von historischem Wissen über das Mittelalter im Vordergrund, sondern die ökonomische Nutzbarmachung der Stadtgeschichte. Nicht nur die Handwerkskammer stand diesem Vorhaben anfänglich skeptisch gegenüber, auch in der Presse und in der Nürnberger Gesellschaft gab es Verrufe des Projekts als „Disneyland-Attraktion“.
Touristische Inwertsetzung

Am Eingang zur Altstadt und unmittelbar gegenüber dem Hauptbahnhof gelegen, war der Handwerkerhof von Beginn an ein Anziehungspunkt für den Tourismus. Verstärkt wurde der Tourismusfaktor durch Aufnahme in diverse Reiseführer (z.B. Polyglott, Baedeker).
Dass sich der Handwerkerhof dabei tatsächlich zu einer bei Tourist:innen beliebten Sehenswürdigkeit etablieren konnte, machen Umfragen von 1980 und 1983 deutlich. 26 % der befragten Bundesbürger:innen gaben an, den Handwerkerhof bei einem Aufenthalt in Nürnberg gerne besuchen zu wollen. Die Attraktion landete somit auf Platz acht der beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Nürnberg. Ein ähnliches Ergebnis brachte eine entsprechende Umfrage innerhalb der Nürnberger Stadtbevölkerung. 28 % der Befragten gaben an, ihren auswärtigen Gästen den Handwerkerhof zeigen zu wollen.
Ein Souvenir-Prägeautomat am Eingang zum Handwerkerhof bestätigt die touristische Vermarktung. Bei Einwurf einer Münze walzt die Maschine eine Prägung darauf. Nutzer:innen können sich entscheiden, ob die Maschine eine Souvenir-Medaille mit einer Abbildung der Kaiserburg, der Lorenzkirche oder des Handwerkerhofs prägen soll. Der Handwerkerhof taucht in einer Reihe mit zwei der bedeutendsten Nürnberger Sehenswürdigkeiten auf, was eine beträchtliche Inwertsetzung darstellt.
Autorin: Julia Ziegler
Literatur
Ruth Bach-Damaskinos, Horst-Dieter Beyerstedt, Michael Diefenbacher, Daniela Stadler, Steven M. Zahlaus: Nürnberg im Wandel der Zeit, Olching, 2016.
Pablo de la Riestra: Nürnberg. Die historische Altstadt, Petersberg, 2005.
Erich Mulzer: Kurzinformation Nürnberg. Gegenwart, Geschichte, Stadtbild, 5. Aufl., Nürnberg, 1972.
Stadt Nürnberg, Arbeitsgruppe Nürnberg-Plan (Hg.): Umfragen 80 zur Stadtentwicklung. Abschlußbericht, Nürnberg, 1981.
Stadt Nürnberg, Arbeitsgruppe Nürnberg-Plan (Hg.): Das Image Nürnbergs im Urteil der Bundesbürger, Nürnberg, 1983.